Ergebnisse des nationalen Bildungsberichtes unterstreichen die Wichtigkeit vorschulischer Leseförderung
Der Nationale Bildungsbericht, der am 17. Juni 2024 in Berlin veröffentlicht wurde, zeigt erneut, dass Bildungserfolge von Kindern in Deutschland in Zusammenhang mit der sozioökonomischen Situation der Familie stehen. Er wird alle zwei Jahre auf Basis statistischer Daten und sozialwissenschaftlicher Studien erstellt. Eltern haben den Daten zufolge bereits in der frühen Kindheit einen großen Einfluss auf die Bildungschancen ihrer Kinder. „Ungleichheiten entstehen nicht dort, wo sie das erste Mal sichtbar werden“, sagt Professor Kai Maaz, Geschäftsführender Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation und Sprecher der für den Nationalen Bildungsbericht verantwortlichen Gruppe von Wissenschaftlern. Die Politik, Eltern und Experten würden Leseschwächen von Viertklässlern aus benachteiligten Familien und schlechte Pisa-Ergebnisse diskutieren. Dabei beginne es bereits in den ersten drei bis sechs Lebensjahren, dass sich die Kompetenzen von Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft substanziell unterscheiden, sagt er. Bereits vor der Grundschule werden wichtige Grundlagen für den Erfolg oder Misserfolg von Bildungslaufbahnen gelegt. Neben Kitas habe auch das häusliche Umfeld zentrale Bedeutung für die Kompetenzentwicklung von Kindern. „Wie häufig wird Kindern vorgelesen oder mit ihnen gesungen? Hier sehen wir Unterschiede je nach soziokultureller Herkunft der Kinder.” Diese Dinge seien jedoch für die Ausprägung der Vorläuferkompetenzen wie das Rechts-Links-Verständnis oder das Entwickeln von Fantasie enorm wichtig.
Der Bericht zeigt: Kinder, denen häufig vorgelesen wurde, wiesen in den nachfolgenden vier Jahren einen umfangreicheren Wortschatz auf als Kinder, denen im selben Alter selten oder nie vorgelesen wurde. Der Bericht nennt zudem drei Risikolagen in Familien, bei denen sich ein Zusammenhang mit den Bildungserfolgen der Kinder zeigt: Formal gering qualifizierte Eltern, Eltern, die nicht erwerbstätig sind und Armutsgefährdung des Haushalts. „2022 war fast jede dritte minderjährige Person von mindestens einer dieser drei Risikolagen betroffen“, heißt es im Bildungsbericht. „Wenn kein Bewusstsein in den Familien gewachsen ist, dass Bildung wichtig ist, ist es schwierig, dort zu unterstützen“, erklärt der Studienleiter. An diese Familien müsse man erst einmal herantreten, doch dafür müssten die Kinder seiner Meinung nach eine Bildungsinstitution wie eine Kita besuchen. „In der Schule gibt es die Schulpflicht, aber da ist es teilweise schon zu spät“, sagt er.
Die Untersuchung zeigt einmal mehr, wie wichtig die Lesewelt-Schultütenaktion ist, die im kommenden Jahr zum achten Mal durchgeführt werden soll. Das Projekt spricht gezielt Familien an, deren Kinder bei der Vorschuluntersuchung Sprachdefizite aufweisen. Die betroffenen Kinder erhalten die Möglichkeit regelmäßig und kostenlos an den Lesewelt-Vorlesestunden in Berliner Bibliotheken teilzunehmen, wo sie mit anderen Kindern zusammenkommen, die keine Sprachdefizite haben. Das Angebot ist niedrigschwellig, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Gleichzeitig arbeitet das Projekt mit Motivation: Kinder, die regelmäßig bis zur Einschulung teilnehmen, erhalten vom Verein eine Schultüte samt Inhalt. Das Projekt vernetzt auf einfache Weise die verschiedenen Akteure: Die Gesundheitsämter übernehmen die Ansprache der Eltern, die Bibliotheken bieten einen Begegnungsort außerhalb von Schule und Kita und der Verein koordiniert die ehrenamtlichen Vorlesepaten. So schafft es Lesewelt Berlin e.V. regelmäßig Kinder zu erreichen, die normalerweise durch das Raster fallen. Der frühere Leiter des Gesundheitsamtes Mitte hat sich einmal dahingehend geäußert, dass die Lesewelt-Schultütenaktion das beste Projekt zur vorschulischen Sprachförderung sei, welches er kennt. Deshalb soll sie im Jubiläumsjahr 2025 erneut angeboten werden – vorausgesetzt es findet sich eine Projektförderung.